Halbe-halbe und das gute Leben (Die Presse Gastkommentar)
Warum gilt das klassische Residenzmodell bei Trennungsfamilien immer noch als Standard, obwohl Studien zeigen, dass das Wechselmodell deutlich mehr Vorteile bietet? Wie wirkt sich das auf alle Beteiligten, insbesondere auf die Kinder (Interview 1, Interview 2) aus? Und welche gesellschaftlichen und politischen Strukturen unterstützen dieses veraltete Modell? Diese und weitere Fragen beleuchten wir in unserem heutigen Gastkommentar in der Presse.
Wir sind der Meinung, dass ein Umdenken in Richtung Gleichberechtigung bei der Kinderbetreuung sowohl vor als auch nach einer Trennung notwendig ist. Eine faire Aufteilung der Betreuungsaufgaben ist essenziell, um das Wohl von Kindern, Müttern und Vätern zu sichern. Wir sehen dies als einen pragmatischen Weg, um ein gutes Leben für alle Beteiligten auch nach einer Trennung zu gewährleisten. Weitere Details hierzu finden Sie in den Standpunkten, Forderungen und Lösungsvorschlägen des Vereins „Wir Väter“.
Eltern und Kindern geht es nach einer Trennung im Wechselmodell besser. Doch immer noch gilt das Residenzmodell als „normal“.
Hippokrates prägte einst den Spruch: „Die Dosis macht das Gift.“ Dem ist noch hinzuzufügen, dass sich die Freude an schönen Aufgaben ins Gegenteil kehren kann, müssen diese unter extremem Zeitdruck und in prekären ökonomischen Verhältnissen erledigt werden. Zeitdruck (Stress) und Übermaß können mit Recht als die großen Feinde des „guten Lebens“ bezeichnet werden.
Sehen wir uns die Situation von Alleinerzieherinnen und Alleinerziehern unter diesen Aspekten im klassischen Residenzmodell an (also der jeweils andere Elternteil betreut das Kind nur jedes zweite Wochenende): Elf Tage Kinderbetreuung am Stück sind für die meisten Menschen eine Überdosis.
Dazu kommen oft finanzielle Probleme, weil zu wenig Zeit bleibt, adäquat Geld zu verdienen. Von beruflicher Selbstverwirklichung ganz zu schweigen. Dennoch ist das Residenzmodell gesellschaftlich akzeptiert, wird als „normal“ gesehen. „Normal“ ist auch, dass die meisten Alleinerziehenden Frauen sind. Dabei handelt es sich beim Residenzmodell um eine klassische Lose-lose-lose-Situation. Das Kind ist mit einem überforderten Elternteil konfrontiert, eine echte Beziehung zum anderen Elternteil ist kaum möglich (Stichwort „Wochenendpapa”), der alleinerziehende Elternteil ist überfordert und beruflich benachteiligt, der andere Elternteil kann seine Elternrolle nur marginal leben.
Manchen Papas passt es so …
Mittlerweile ist es mehrfach wissenschaftlich erwiesen, dass es allen Beteiligten und insbesondere den betroffenen Kindern im Wechselmodell (Aufteilung der Kinderbetreuung halbe-halbe) besser geht. Es stellt sich die Frage, warum das Residenzmodell immer noch als „Normalität“ gilt.
Aber sicher, es gibt wohl Väter, denen das Residenzmodell gelegen kommt. Kinderbetreuung als Wochenendbeschäftigung, also im Alltag keinen Stress haben und am Wochenende als toller Papa glänzen. Vielleicht hie und da noch eine Geburtstagsparty für den Nachwuchs ausrichten, und schon ist man der idealisierte „Hero“ in glänzenden Kinderaugen. Diesen Vätern sei ausgerichtet: Ihr raubt den Müttern eurer Kinder die Möglichkeiten zum guten Leben und euren Kindern die Möglichkeit, eine echte Beziehung zu euch aufzubauen.
… manchen Mamas auch
Das Argument „mehr Kinderbetreuung ist mit meiner Arbeitssituation nicht vereinbar“ ist schwach. Schon mal überlegt, wie es den alleinerziehenden Müttern mit ihrer Arbeitssituation geht? Von den mehr oder weniger hohen Alimenten können Frauen und ihr/e Kind/er in der Regel nicht leben.
Dann gibt es aber auch Mütter, die den Vätern ihrer Kinder ein echtes Halbe-halbe verweigern. Auch hier sind die Motive unterschiedlich. Manchmal müssen die Kinder als Beziehungsersatz herhalten, manchmal spielen Rachegelüste nach gescheiterten Beziehungen eine Rolle oder das Gefühl, sich für die eigenen Kinder aufopfern zu müssen (zu wollen).
Diesen Müttern sei ausgerichtet: Ihr raubt den Vätern eurer Kinder die Möglichkeiten zum guten Leben und euren Kindern die Möglichkeit, eine echte Beziehung zu ihren Vätern aufzubauen. Es gibt wohl wenig belastendere Situationen, als sein Kind zu lieben, aber daran gehindert zu werden, eine gute Beziehung zu diesem zu leben. Besonders schlimm sind Situationen, in denen das Kind dem Vater ganz bewusst entfremdet wird.
Neben individuellem Versagen spielen aber auch gesellschaftliche Verhältnisse eine gewichtige Rolle beim Aufrechterhalten des Residenzmodells als „Normalität“. Das Bild der „guten, versorgenden“ Mutter, die sich für ihre Kinder aufopfert, weil Kinderbetreuung ja „Frauensache“ ist, ist in unserer Gesellschaft noch tief verankert. Obwohl dies eigentlich dem konservativen Weltbild des „Frauen an den Herd“ entspricht: Wenn es um echtes Halbe-halbe nach der Scheidung/Trennung geht, zeigt sich manch seltsame politische Allianz. So werden z. B. Väterbeteiligung und Väterrechte von feministischer Seite bekämpft, obwohl gerade hier ein Weg zu einer echten Gleichberechtigung führen würde.
Kinderbetreuung aufwerten
Ein oft gehörtes Argument in diesem Diskurs ist der Schutz der Mütter vor Gewalt. Damit werden aber Einzelfälle von gewalttätigen Vätern zur Norm erklärt. Selbstverständlich braucht es Schutz vor Gewalt, aber Männer unter Pauschalgewaltverdacht zu stellen und alle Frauen als Opfer zu deklarieren, verbessert die Situation sicher nicht.
Zum „guten Leben“ braucht es neben individuellem Bemühen auch ein gesellschaftliches und politisches Umdenken. Kinderbetreuung als eine der wertvollsten Aufgaben für die Zukunft unserer Gesellschaft muss aufgewertet werden. Einerseits braucht es eine Arbeitswelt, die es Vätern und Müttern gleichermaßen ermöglicht, ihren elterlichen Aufgaben nachzukommen, und sie dabei unterstützt. Andererseits sollte Halbe-halbe als gesellschaftliche Norm verankert und akzeptiert werden. So ließe sich vielleicht eine Welt mit mehr gutem Leben für alle bauen.
Über den Autor: Dr. Martin Busch (* 1966) ist Psychologe. Er hat sich intensiv mit der wissenschaftlichen Studienlage zum Thema Wechselmodell auseinandergesetzt und ist Gründungsmitglied der Initiative „Wir Väter“.
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