“Die Presse” Gastkommentar von Anton Pototschnig zum Vatertag
Väter sind wichtig für ihre Kinder
Der gesellschaftliche Wahrnehmungsfokus richtet sich auf „toxische Männlichkeit“, also auf eine kleine Minderheit. Das Gros der Väter und deren positiver Einfluss auf ihre Kinder wird aber immer noch gern übersehen und unterschätzt. Da hilft ihnen auch kein Vatertag.
John Bowlby, Psychoanalytiker und Kinderpsychiater, postulierte in den 1950er Jahren, dass für den Aufbau einer stabilen Bindung die Beziehung des Kindes zu e i n e r zentralen Bindungsperson notwendig sei, und meinte damit im Wesentlichen jene zur Mutter. Bereits in den frühen 1960er Jahren wurde diese These widerlegt. Kinder können bereits in den ersten Lebensjahren gleichwertige Bindungen zu verschiedenen Personen, also auch zu ihren Vätern, aufbauen. Entscheidend sei dabei nicht die zeitliche Dimension, sondern die Qualität des Fürsorgeverhaltens. Fand Bowlby‘s Theorie noch viel Gehör in der Fachwelt, entging die zweite Botschaft jahrzehntelang der allgemeinen Wahrnehmung. Zudem war für die Forschung fast ausschließlich das Bindungsverhalten des Kindes zur Mutter von Interesse.
Erst in den vergangenen beiden Jahrzehnten wurde auch die Rolle von Vätern wissenschaftlich unter die Lupe genommen, mit beachtlichen Ergebnissen. Studien zufolge beeinflusst väterliches Engagement bereits vorgeburtlich die Bindung zum Kind. Bereits im Bauch reagieren Kinder signifikant auf väterliche Zuwendung. Mit der Geburt des Kindes sinkt bei Vätern der Testosteronspiegel und das Oxytocin und sogar das Prolaktin im Blut steigen, zeitgleich mit dem väterlichen Engagement an (Letzteres ist zuständig für die Milchproduktion). Ist bei Müttern vieles biologisch angelegt, benötigt es bei Vätern deren Engagement. Eine von der Europäischen Kommission veröffentlichte Studie weist auf ein drei- bis sechsfaches Engagement von aktuellen Vätern gegenüber ihren eigenen Vätern hin. Auch ein Blick ins nahe Umfeld liefert dieselben Ergebnisse. Zeit mit Kindern und die Beschäftigung mit ihnen ist Vätern ein großes Anliegen geworden.
Das Forschungsteam CENOF (Central European Network on Fatherhood), bestehend aus renommierten Forscher:innen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz, kommen zu weitreichenden Ergebnissen. Liselotte Ahnert, vormalige Professorin für Entwicklungspsychologie an der Universität Wien, stellt die Forschungsergebnisse in ihrem Buch unter dem Titel: „Auf die Väter kommt es an“ vor. Diesen Studien zufolge hat väterliches Engagement starke positive Auswirkungen auf die Entwicklung von Kindern. Deren spezifisches Spielverhalten wirkt sich positiv auf das Sozialverhalten von Kindern aus, indem es deren Empathiefähigkeit fördert. Aber auch auf Sprachentwicklung, Stressverarbeitung und Motorik der Kinder wirkt sich aktives Tun von Vätern positiv aus. Kinder können mit Vätern besser deren eigene Grenzen ausloten, bauen ängstliches Verhalten ab und werden insgesamt mutiger. Väter spielen mit ihnen Regelspiele, laut Frau Ahnert insofern „besser“, indem sie Regelverstöße besser sanktionieren und die Kinder somit lernen, wie sie besser mit Niederlagen umgehen können. Väter trauen ihren Kindern mehr zu, fordern und fördern sie dadurch stärker.
Kinder brauchen beide Elternteile
Leben die Eltern zusammen, erhalten Kinder die Förderung ganz selbstverständlich von beiden Elternteilen. Mit einer Trennung wird väterliches Engagement in der Regel auf vier Tage pro Monat reduziert und geht vielfach ganz verloren. Die Doppelresidenz, also die Fortsetzung eines gleichwertigen Engagements beider Elternteile, die in vielen Ländern bereits die Norm darstellt, bleibt unseren Kindern oft vorenthalten. Der gesellschaftliche Wahrnehmungsfokus richtet sich auf „toxische Männlichkeit“, also auf eine kleine Minderheit. Das Gros der Väter und deren positiver Einfluss auf ihre Kinder bleibt weiterhin in einem Wahrnehmungsloch. Aus diesem holt sie auch kein Vatertag.
Anton Pototschnig ist Dipl. Sozialarbeiter, Familiencoach und Obmann der Plattform „Wir Väter“ und „Doppelresidenz.at“