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PAS – Nein, PA = Eltern-Kind-Entfremdung – Ja
Replik von „Wir Väter“ zum Artikel im „profil“ über das „Parental Alienation Syndrome“ und die Regierungsverhandlungen von FPÖ und ÖVP.
Die aktuelle Berichterstattung im „profil“ über die Regierungsverhandlungen zwischen FPÖ und ÖVP und die Forderung nach einem Gesetz zum sogenannten „Parental Alienation Syndrome (PAS)“ wirft ein wichtiges und hochsensibles Thema auf: die Instrumentalisierung von Kindern in Trennungs- und Scheidungskonflikten.
Punkt 1: Klare Abgrenzung: Wir Väter ist überparteilich
„Wir Väter“ ist eine Initiative, die sich für eine verantwortungsvolle Vaterschaft und Gleichverantwortung in der Elternschaft einsetzt. Wir stehen für lösungsorientierte Reformen auf sachlicher, wissenschafts- und praxisorientierter Basis im Familienrecht und positionieren uns bewusst überparteilich. „Wir Väter“ stellt klar, dass die im geleakten Verhandlungsprotokoll von FPÖ und ÖVP enthaltene Forderung nach einem Gesetz zum „Parental Alienation Syndrome (PAS)“ nicht von uns stammt, da wir dazu eine differenziertere Haltung einnehmen.
Punkt 2: Eltern-Kind-Entfremdung ist real, die Begrifflichkeit des „Syndroms“ aber problematisch
Tatsache ist, dass PAS weder im ICD10 bzw. 11, noch im DSM5, wie im Wochenmagazin „profil“ festgestellt wird, zu finden ist. Warum? Weil das “S”, also das Syndrom in diesem Zusammenhang, kein wissenschaftlich haltbarer Begriff ist. Was bleibt, ist das Phänomen PA (Parental Alienation, dt. Eltern-Entfremdung) bzw. die im deutschsprachigen Raum gebräuchliche Bezeichnung: Eltern-Kind-Entfremdung. Gemeint ist damit, wenn sich ein Kind ohne nachvollziehbaren Grund von einem Elternteil abwenden, den Kontakt zu diesem völlig ablehnt und alle positiven Erlebnisse, die es mit diesem erlebt hat, nur noch negativ geschildert werden können.
Ebenso typisch ist, dass die Begründungen des Kindes nicht authentisch, sondern, wie dem Wortschatz eines Elternteils, entliehen wirken. Hintergrund für dieses Verhalten ist ein unbewusst, oder bewusst manipulatives Verhalten des Elternteiles, der mit dem Kind hauptsächlich Zeit verbringt. Tatsache ist auch, dass der EGMR das Phänomen PA bzw. der Eltern-Kind-Entfremdung in mehreren Fällen anerkannt und Staaten wegen Untätigkeit dagegen verurteilt hat.
Tatsache ist, dass es in Österreich keine wissenschaftliche Expertise gibt, (weil man unmittelbar Gefahr läuft, in ein ideologisches Minenfeld zu laufen). Ebenso Tatsache aber ist, dass es auf internationaler Ebene, dazu viele Studien (siehe Fußnote 1) gibt, die jüngste aus dem Jahr 2024 von Marc Serafin (siehe Fußnote 2) und in Deutschland renommierte Experten (siehe Fußnote 3) folgendes Fazit ziehen:
„Eltern-Kind-Entfremdung ist ein deutliches sozial-emotionales Entwicklungsrisiko und kann im Fall von Instrumentalisierung auch als eine Form von Kindesmisshandlung gesehen werden. Sie darf – wie in der aktuellen Praxis leider häufig vorzufinden – nicht länger ignoriert werden oder durch Abwarten oder gar durch Dauerverfahrensschleifen ihre schädigende Wirkung auf einen nicht unerheblichen Teil der in Deutschland aufwachsenden Kinder und Jugendlichen entfalten […] Sie ist gleichzeitig eine Verletzung der Rechte des Kindes und beider Elternpersonen auf ungehinderten Kontakt.”
Eine ausführliche Schilderung der Dynamik des Phänomens der Eltern-Kind-Entfremdung können sie im „Wir Väter“ Blog-Artikel: “Ich werde das Kind nicht zwingen” nachlesen.
Punkt 3: PA – Ein ideologischer Kampfschauplatz
Um dem Phänomen Eltern-Kind-Entfremdung den Boden unter den Füßen wegzuziehen, scheut man nicht davor zurück diesem massiven Missbrauch gegenüber zu stellen. Im aktuellen Artikel des „profil“ wird Ulrike Altendorfer-Kling Fachärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie zitiert, die nahe legt, dass mit der „Diagnose“ PAS sexueller Missbrauch vertuscht werden sollte. Väterorganisationen, die sich für die Anerkennung des Phänomens und entsprechender Maßnahmen dagegen einsetzen – wie auch „Wir Väter“ – werden damit pauschal als Handlanger von Gewalttätern jeglicher Form diskreditiert. „Wir Väter“ weist darauf hin, dass jeglicher Form von Gewalt entschieden entgegengewirkt werden muss und auf beiden Seiten zu finden ist. Wir rufen dazu auf, sich von dieser polarisierenden und ideologischen Debatte zu verabschieden und sich einer sachlichen und nüchternen Auseinandersetzung zu stellen um Kinder zu schützen.
Punkt 4: Die gesetzliche Verankerung von PA bzw. Eltern-Kind-Entfremdung ist essentiell
Gerade weil es auf diesem Gebiet eine große Orientierungslosigkeit gibt und damit ein fehlgeleiteter Umgang mit dem Phänomen der Entfremdung einhergeht, bedarf es einer gesetzlichen Verankerung. Und sei es nur um sich damit endlich ernsthaft auseinander setzen zu müssen. Hedwig Wölfl, von der Kinderschutzeinrichtung „die Möwe“ selbst macht diese Schwierigkeit im „profil“ sichtbar, indem sie auf die Problematik der Manipulation von Kindern durch Eltern hinweist und klar benennt, dass es sich dabei um eine Form psychischer Gewalt handelt, welche noch dazu im Zunehmen begriffen ist. Um einer Eltern-Kind-Entfremdung effektiv vorzubeugen, sind Gefährdungsvorwürfe schnell und fachlich fundiert abzuklären. Wenn keine vorliegen, ist eine umgehende Wiederherstellung der Betreuung des Kindes durch beide Elternteile zu ermöglichen. Derzeit passiert weder das eine, noch das andere.
Die Forderung Eltern-Kind-Entfremdung als Kindeswohlgefährdung wahrzunehmen besteht seit langem und richtet sich an alle Parteien. Das FPÖ und ÖVP das Problem aufgreifen und Kindeswohlgefährdungen damit eindämmen wollen, sollte den anderen Akteuren zu denken geben.
Anton Potoschnig
Dipl. Sozialarbeiter und Familiencoach
sowie Obmann der Vereine „Wir Väter“ und „Doppelresidenz“
Fußnoten:
- Parental Alienation Study Group
- “Professionelles Handeln bei trennungsbedingter Eltern-Kind-Entfremdung”, Dr. phil. Marc Serafin
- ZKJ – Zeitschrift für Kindschaftsrecht und Jugendhilfe 7/2022 „Menno Baumann, Charlotte Michel-Biegel, Stefan Rücker, Marc Serafin, Reinhard Wiesner – Zur Notwendigkeit professioneller Intervention bei Eltern-Kind- Entfremdung – Teil 1