Männerbashing als Lösung? Warum wir endlich raus aus der Polarisierung müssen
Der „Standard“ widmete sich dem Thema toxischer Männlichkeit, und wieder einmal wird aus einem gesellschaftlich hochkomplexen Thema eine vereinfachte Erzählung über „die Männer, die nicht wollen“. Beate Hausbichlers Kolumne zur Netflix-Serie Adolescence ist symptomatisch für ein Problem, das uns seit Jahren beschäftigt: die öffentliche Debatte über Geschlechterverhältnisse wird mit moralischer Einseitigkeit geführt – und erschwert gerade dadurch den gesellschaftlichen Wandel, den wir alle brauchen.
Ja, es gibt ein Problem mit männlicher Radikalisierung im Netz. Ja, es gibt patriarchale Rollenmuster, die jungen Männern und Frauen schaden. Aber genau deswegen braucht es ein ernsthaftes Gespräch – und kein wiederholtes Schubladendenken. Wenn in einem Atemzug pauschal behauptet wird, Männer würden „mauern“, sobald es um Verantwortung im Kampf gegen Sexismus geht, dann ist das nicht nur undifferenziert, sondern auch kontraproduktiv. Denn wer möchte schon in einen Dialog eintreten, wenn ihm von Anfang an Absichtslosigkeit oder Bosheit unterstellt wird?
In unserer Arbeit bei Wir Väter erleben wir jeden Tag Männer, die Verantwortung übernehmen – in der Familie, im Beruf, in Trennungssituationen. Männer, die mit der Rolle des „Ernährers“ hadern, die gerne mehr Care-Arbeit übernehmen würden, aber mit strukturellen und kulturellen Hindernissen kämpfen. Männer, die nach der Trennung im Kontakt mit ihren Kinder auf ein Minimum reduziert werden, obwohl sie weiter Verantwortung tragen wollen.
Und gerade weil wir das große Problem von Gewalt an Frauen und Mädchen ernst nehmen, sagen wir: Nur mit einem konstruktiven Zugang zu Männlichkeit kommen wir weiter. Wenn wir Buben beibringen wollen, dass es mehr als eine Art gibt, ein Junge zu sein, dann dürfen wir ihnen nicht gleichzeitig einreden, dass sie ein Problem sind, nur weil sie Jungen sind.
Feministische Kritik ist wichtig. Aber sie muss differenziert sein. Sie darf nicht auf das nächste „Adolescence“-Narrativ springen, ohne die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen mitzudenken. Warum finden sich viele junge Männer in der sogenannten Manosphere wieder? Nicht, weil sie frauenfeindlich geboren werden, sondern weil ihnen niemand eine tragfähige Alternative anbietet. Der Ruf nach geschlechterneutraler Erziehung allein reicht nicht. Wir brauchen tragfähige gesellschaftliche Modelle, rechtliche Gleichstellung nach Trennung, eine faire Aufteilung der Care-Arbeit und vor allem: Förderung engagierter Vaterschaft.
Wir Väter setzen uns genau dafür ein. Unsere Lösungsvorschläge reichen von Ausbau der Väterkarenz über die Förderung von Familienarbeitszeitmodellen für beide Eltern bis hin zeitlich befristeten Nachtrennungsunterhalten, um die Gleichverantwortung für die Kindesbetreuung zu forcieren. Wir sind bereit zum Dialog – mit Frauen, mit Medien, mit der Politik. Aber Dialog bedeutet auch, zuzuhören und nicht vorschnell zu verurteilen. Denn das Bild vom „toxischen Mann“ ist genauso toxisch, wenn es pauschal gezeichnet wird.
Robert Seyfriedsberger
Stv. für Wir Väter