Nachlese zur ÖIF-Veranstaltung “Vatersein – Vaterbilder – Vatererfahrungen”
Am 19. November 2024 präsentierte das Österreichische Institut für Familienforschung (ÖIF) am Juridicum in Wien aktuelle Forschungsergebnisse zum Thema Vaterschaft. Die Veranstaltung bot spannende Einblicke in die Rolle und Wahrnehmung von Vätern in der Familie sowie in deren Bedeutung für Kinder und Jugendliche.
Aktive Vaterschaft im Fokus
Der erste Vortrag von Andreas Baierl beleuchtete Ergebnisse einer Befragung von 500 Vätern, 250 Müttern (jeweils mit Kindern im Alter von 2 bis 12 Jahren) sowie 270 Jugendlichen im Alter von 16 bis 20 Jahren. Dabei standen die Themen „aktive Vaterschaft“ und „Engagement in der Erziehung“ im Mittelpunkt.
Die Studie ergab, dass:
- 96 % der befragten Väter und Mütter Väter als verantwortlich für das „Treffen von weitreichenden Entscheidungen“ ansehen,
- 83 % Väter für Aufgaben der „Fürsorge (z. B. Trösten)“ als zuständig erachten,
- lediglich 36 % jedoch beim Thema „Besorgungen (z. B. Kleidung kaufen)“ Väter in der Verantwortung sehen.
Besonders interessant: Die höchste Zustimmung erhielt die Aussage „dem Kind aktive Zuneigung zeigen“ (60 %), während „auf gesunde Ernährung achten“ mit nur 20 % das Schlusslicht bildete. Dies ist bemerkenswert, da Vätern oft mangelnde Emotionalität oder Beziehungsfähigkeit zugeschrieben wird.
Ein weiterer relevanter Punkt: 6 % der Väter bezeichneten sich als „alleinerziehend“ im Sinne einer alleinigen Verantwortung für ihre Kinder.
Einflussfaktoren auf aktive Vaterschaft
Die Umsetzung aktiver Vaterschaft wird maßgeblich durch persönliche Rollenbilder, die Aufteilung von Erwerbsarbeit und äußere Rahmenbedingungen geprägt. Diese wiederum hängen von Faktoren wie Bildung, Alter, Herkunft, Wohnort sowie betrieblichen und politischen Rahmenbedingungen ab.
Ein bemerkenswertes Ergebnis:
- Das Rollenbild „eine Mutter kann ihr Kind besser trösten als ein Vater“ steht in starkem Widerspruch zum Ausmaß aktiver Vaterschaft.
- Eine Erwerbstätigkeit der Mutter von mehr als 25 Wochenstunden wirkt hingegen positiv auf das Engagement des Vaters.
Kluft zwischen Theorie und Praxis
Eine weitere Befragung von 400 Führungskräften zeigte:
- 34 % der Befragten würden einen Vater, der ein Jahr in Karenz gehen möchte, persönlich unterstützen.
- 23 % geben an, dass auch das Unternehmen dies fördern würde.
In der Praxis zeigt sich jedoch oft ein anderes Bild. Hier besteht weiterhin eine deutliche Diskrepanz zwischen den Absichtserklärungen und der tatsächlichen Umsetzung.
Rückgang beim Väteranteil bei Elternzeit und Kinderbetreuungsgeld
Die Veranstaltung wies auch auf den leichten Rückgang des Väteranteils beim Bezug von Kinderbetreuungsgeld und Elternteilzeit seit 2019 hin. Eine vertiefende Analyse dieser Entwicklung blieb jedoch aus. Ein möglicher Erklärungsansatz: Während der Corona-Pandemie (durch Homeoffice, Kurzarbeit oder Arbeitslosigkeit) bestand für viele Väter keine Notwendigkeit, formal Karenz zu beantragen, da sie ohnehin zuhause waren.
Notwendige Maßnahmen für eine stärkere Einbindung von Vätern
Die präsentierten Schlussfolgerungen unterstreichen zwei zentrale Handlungsfelder:
- Betriebliche Maßnahmen: Unternehmen müssen familienfreundliche Angebote schaffen, die gezielt auf die Bedürfnisse von Vätern zugeschnitten und entsprechend kommuniziert werden.
- Frühzeitige Bildung und Aufklärung: Eltern sollten bereits vor der Geburt über partnerschaftliche Aushandlungsprozesse informiert und unterstützt werden, um traditionelle Geschlechterrollen nicht unbeabsichtigt zu reproduzieren.
Langzeitstudie: Der Einfluss aktiver Vaterschaft auf Jugendliche
Harald Werneck präsentierte Ergebnisse aus einer seit 1993 laufenden Langzeitstudie, die Familien wissenschaftlich begleitet. Diese zeigt eindrucksvoll die Bedeutung aktiver Vaterschaft für das psychische Wohlbefinden im Jugendalter:
- Väterliche Wärme und Autonomieunterstützung sowie das wahrgenommene Ausmaß väterlicher Involviertheit (insbesondere in exklusiven Vater-Kind-Interaktionen) haben eine nachweislich positive Wirkung auf Jugendliche.
- Besonders wichtig ist dabei die „Differenzerfahrung“, also das Erleben unterschiedlicher Erziehungs- und Beziehungsstile zwischen Elternteilen.
Die Veranstaltung hat deutlich gemacht, wie wichtig eine aktive Einbindung von Vätern nicht nur für das Familienleben, sondern auch für die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen ist. Es bleibt die Aufgabe von Politik, Wissenschaft und Gesellschaft, Rahmenbedingungen zu schaffen, die Väter dazu ermutigen, ihre Rolle voll auszuschöpfen.